Als Leser von EnEV-online.de kennen Sie Rechtsanwalt
(RA) Dominik Krause als erfahrenen EnEV-Experten. Im
Rahmen unseres Online-Workshops antwortet er auf
Fragen zu den rechtlichen Aspekten zur EnEV-Praxis.
Im Folgenden antwortet RA Krause kurz und bündig auf
unsere Fragen zur EnEV 2014.
Herr Krause, was bedeutet
der Ausdruck „es wird vermutet“?
RA Krause: Eine
Vermutung im rechtlichen Sinne bedeutet, dass
man davon ausgeht, dass bei Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen eine bestimmte Rechtsfolge
eintritt.

Wenn man etwas nur
"vermutet", bedeutet es nicht, dass man sich dessen
nicht ganz sicher ist?
RA Krause: Ja, das
Wesen der Vermutung liegt - im Unterschied
beispielsweise zur Fiktion - darin, dass sie
grundsätzlich widerlegbar ist. Die Vermutung
macht also in erster Linie nur den Nachweis
entbehrlich.

… bis jemand das
Gegenteil beweist?
RA Krause: Im
Prinzip, ja!

Welchen rechtlichen
Sinn hat die "Vermutung" in folgendem Zitat aus der
EnEV 2015, § 3 (Wohngebäude) Absatz 5?
"Die Einhaltung der in den Absätzen 1, 2 und 4
festgelegten Anforderungen wird vermutet, wenn ein
nicht gekühltes Wohngebäude die
Anwendungsvoraussetzungen erfüllt, die in der
Bekanntmachung definiert sind, und gemäß einer der
dazu beschriebenen Ausstattungsvarianten errichtet
wird; Berechnungen nach Absatz 3 sind nicht
erforderlich."
RA Krause: Im
Falle dieser EnEV-Regelung soll ein Wohngebäude,
das einer vom zuständigen Bundesministerium
publizierten Ausführungsvariante
(Bekanntmachung) entspricht, als EnEV-konform
gelten. Die Bundesregierung stellt auch in der
Begründung zu ihrem EnEV-Entwurf - welcher in
der verkündeten Fassung in diesem Punkt
unverändert geblieben ist - heraus, dass diese
Vermutung widerleglich ist.

Was bedeutet dieses
konkret?
RA Krause: Es kann
grundsätzlich nachgewiesen werden, dass ein
Wohngebäude trotz Einhaltung der Bekanntmachung
des BMUB (ehemals: BMVBS) die Anforderungen der
EnEV 2014 nicht einhält.

Damit ist der
EnEV-easy Ansatz weit verfehlt …
RA Krause: Was die
rechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens angeht:
Ja. Denn diese Regelung soll eigentlich die
Einhaltung der EnEV vereinfachen und Eigentümer
von der Pflicht zur Führung konkreter Nachweise
entbinden. Dass die Einhaltung der publizierten
Anforderungen rechtlich nur eine Vermutung
auslöst, birgt allerdings Restrisiken für den
Eigentümer. Die Praxisrelevanz des Verfahrens
wird daher vor allem von der Verlässlichkeit der
Bekanntmachungen abhängen.

Welche Konflikte
könnten sich aus diesem Risiko ergeben?
RA Krause: Stellt
sich etwa heraus, dass ein Neubau - trotz
Übereinstimmung mit einer vom BMUB
veröffentlichten Bekanntmachung - tatsächlich
nicht den Anforderungen der EnEV entspricht, ist
diese Vermutung widerlegt. Der Neubau erfüllt
nicht die Voraussetzungen der EnEV und
widerspricht damit dem öffentlichen Baurecht.

Welche Folgen würde
dieses für den Eigentümer haben?
RA Krause:
Grundsätzlich könnte von dem Eigentümer die
Nachrüstung des Hauses verlangt werden, was
zumeist mit weiteren Kosten verbunden sein wird.
Entsprechende Haftungsfolgen können sich für die
ausführenden Planer, Handwerker etc. ergeben.

Kann der Eigentümer
sich in diesem Fall nicht auf die Bekanntmachung des
Bundesbauministeriums verlassen?
RA Krause: Es ist
zumindest fraglich, ob der Eigentümer sich damit
entlasten kann, dass er auf die Bekanntmachung
des BMUB vertraut hat. Denn mit dem Widerlegen
der Vermutung wäre zwangsläufig auch die
Bekanntmachung des BMUB als - zumindest in
Teilen - unrichtig entlarvt. Immerhin wird er
wohl nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit
belangt werden können, da diese wenigstens
"Leichtfertigkeit" voraussetzt.

Gibt es in der
Rechtsprechung vergleichbare Situationen?
RA Krause: Die
Erfahrung in anderen Bereichen - beispielsweise
mit dem amtlich bekanntgemachten Muster der
Widerrufsbelehrung für Verbraucherverträge nach
§ 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) -
zeigt, dass der Eigentümer sich auf die
Richtigkeit der Bekanntmachung nicht zwingend
berufen können wird. Immerhin hat der BGH in
diesem Zusammenhang den Vertrauensgrundsatz
gelten lassen. Ob sich dies aber auf die EnEV
und der mit dieser verbundenen Zwecksetzung
(Energieeinsparung, Klimaschutz) übertragen
lässt, wird zunächst abzuwarten bleiben.

Was sollten Fachleute
den Eigentümer und Bauherrn raten?
RA Krause: Dem
Eigentümer, Bauherrn etc. ist grundsätzlich zu
empfehlen, vorsorglich eine Berechnung seiner
Immobilie durchführen zu lassen und sich nicht
allein auf eine Vermutung zu verlassen.
Herr RA Krause, vielen
Dank für Ihre Antworten!

EnEV-easy für ungekühlte Wohnhäuser:
1. Teil: Ziele und Begründung
der Bundesregierung
2. Teil: EnEV-online Leser
äußern sich sehr kritisch
3. Teil:
Rechtliche Risiken und Nebenwirkungen
4. Teil:
Aktueller Stand - Bericht von der BAU 2015
Autorin: Melita Tuschinski
Redaktion
EnEV-online.de
Quellen und weitere Informationen:
EnEV 2014: Kurzinfo für die Praxis Info-Broschüren (pdf)

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