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Praxisbeispiel: Ein Einfamilienhaus - Baujahr 1987 - steht zum Verkauf an.
Der neue Eigentümer ist laut
EnEV
2014, § 10 (Nachrüstung bei Anlagen und Gebäuden) Absatz 3 gegebenenfalls
innerhalb von zwei Jahren verpflichtet, die oberste Geschossdecke oder
alternativ das Dach zu dämmen. Die Verkäuferin weiß jedoch nicht, ob ihre
oberste Geschossdecke oder Dach gedämmt sind! Ein Bedarfs-Energieausweis liegt
zwar vor, doch darin sind die Nachrüstpflichten nicht erwähnt.
Fragen:
-
Wie kann man einfach überprüfen, ob die Dämmpflicht für die
oberste Geschossdecke greift?
-
Kann man anhand des Baujahres 1987 erkennen ob die
Nachrüstpflicht für die oberste Decke gilt?
-
Wer
muss den Nachweis erbringen, ob die oberste Decke oder das Dach
gedämmt sind?
-
Ist
die Verkäuferin gegenüber dem Käufer verpflichtet, den
Dämmzustand der Decke oder des Daches nachzuweisen, oder muss
der Käufer eine offizielle Person bestellen um diesen Zustand zu
überprüfen?
-
Wer
ist kompetent und berechtigt den Dämmzustand der Decke und des
Daches zu überprüfen, ein Dachdecker oder Bauingenieur?

Antworten
vom 19. Februar 2016 von Melita Tuschinski, Dipl.-Ing.UT, Freie
Architektin, Stuttgart, www.tuschinski.de
1. Wie kann man einfach überprüfen, ob die Dämmpflicht für die
oberste Geschossdecke greift?
Eine ganz einfache Art zunächst grundsätzlich zu prüfen, ob
die Nachrüstpflicht für die oberste Geschossdecke greift,
bietet die Antwort auf folgende Frage: Wenn es einen unbeheizten
Dachboden gibt, ist dieser begehbar, so dass man ihn eines Tages
ausbauen könnte, oder ist die oberste Geschossdecke nur
zugänglich, so dass man eine Dämmung von oben anbringen könnte?
Die EnEV fordert gegebenenfalls nur die Dämmung der obersten
Geschossdecke wenn diese von oben zugänglich ist, denn sonst
könnte man auch nicht eine Dämmung einbringen.
2. Kann man anhand des Baujahres 1987 erkennen ob die
Nachrüstpflicht für die oberste Decke gilt?
Energie-Standard Wohnhaus Baujahr 1987: Wenn das Haus im Jahr 1987 erbaut wurde, musste der Planer unter
anderem auch die damals geltende
Wärmeschutzverordnung (WSchVO 82) beachten. Wie auch aus der
Bezeichnung hervorgeht, war es das Ziel dieser Regelung den
Wärmeverlust durch die Gebäudehülle zu verringern.
Den Nachweis konnte der Planer auf zwei Wegen führen:
-
Mittlerer K-Wert der Gebäudehülle: Nachweis anhand des Wärmedurchgangskoeffizienten (k-Wert) in
Bezug zum Formfaktor der Gebäudes (A/V) - siehe
WSchVO 82 Anlage 1 (Anforderungen zur Begrenzung des
Wärmedurchgangs (Transmissionswärmeverluste) bei Gebäuden
mit normalen Innentemperaturen), Nummer 1. Der
Formfaktor bezeichnete das Verhältnis der wärmeübertragenden
Umfassungsfläche (A) des Hauses zum eingeschlossenen,
beheizten Bauvolumen (V). In der Berechnung dieses
Kennwertes musste auch der K-Wert des Bauteils mit
einfließen, der das Haus entweder nach oben zum ungedämmten
Dachboden abgrenzte oder das gedämmte Dach. Diesen Wert kann
man umrechnen und mit der Messlatte der EnEV 2014 für die
Nachrüstpflicht vergleichen.
-
Wärmeschutz einzelner Außenbauteile: Nachweis anhand der Wärmeschutzanforderungen für einzelne
Außenbauteile - siehe
WSchVO 82 Anlage 1 (Anforderungen zur Begrenzung des
Wärmedurchgangs (Transmissionswärmeverluste) bei Gebäuden
mit normalen Innentemperaturen), Nummer 2. In der
Tabelle 2 (Wärmedurchgangskoeffizienten für einzelne
Außenbauteile) ist unter Nummer 2 für Decken unter nicht
ausgebauten Dachräumen und Decken (einschließlich
Dachschrägen) ein höchstzulässiger
Wärmedurchgangskoeffizient (k-Wert) von 0,30 Watt pro
Quadratmeter und Kelvin (W/(m²K)) angegeben.
-
Messlatte für Nachrüstpflicht der Decke:
Die EnEV 2014 führte seit dem 1. Mai 2014 eine konkrete
Messlatte für die Nachrüstpflicht für oberste Geschossdecken
ein: den baulichen Mindestwärmeschutz gemäß der Baunorm
DIN 4108 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden - Teil
2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Beuth Verlag Berlin,
Februar 2013.
In dieser Norm findet sich der Mindestwärmeschutz angegeben in
Tabelle 3 (Mindestwerte für Wärmedurchlasswiderstände von
Bauteilen). Unter Nummer 3 (Decken beheizter Räume nach oben und
Flachdächer) sind die möglichen Einbau-Situationen von Decken
gelistet. In Zeile 3.3 (Decken zu nicht beheizten Räumen, zu
bekriechbaren oder noch niedrigeren Räumen) ist der relevante
Mindestwert für den Wärmedurchlasswiderstand des der Decke (R)
mit 0,90 Quadratmeter mal Kelvin durch Watt (m²K/W)
angegeben. Wenn der k-Wert der obersten Decke aus den
Planungsunterlagen bekannt ist, kann ein Fachmann den R-Wert
berechnen und die Nachrüstpflicht entsprechend erkennen.

Antworten
vom 19. Februar 2016 von Rechtsanwalt Dominik Krause, Krause & Vogt -
Rechtsanwälte, Bremen, www.kravo.de
3. Wer
muss den Nachweis erbringen, ob die oberste Decke oder das Dach
gedämmt sind?
Grundsätzlich ist es Sache des Eigentümers, sich um den Zustand
des Hauses zu kümmern und beispielsweise die ordnungsgemäße
Erfüllung etwaiger Ertüchtigungspflichten nach der EnEV
gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen. Wer hier einen
Nachweis führen muss, hängt ganz maßgeblich davon ab, ob und wie
der Vertrag die Frage regelt. Grundsätzlich darf der Käufer
einer Immobilie davon ausgehen, dass ein Gebäude dem
öffentlichen Baurecht entspricht, wenn es keine anderweitigen
Informationen des Verkäufers gibt. Zum öffentlichen Baurecht
kann man auch die Regelungen der EnEV zählen. Hat der Käufer
Zweifel, muss daher der Verkäufer gegebenenfalls nachweisen,
dass die Nachrüstpflicht erfüllt wurde.

4. Ist
die Verkäuferin gegenüber dem Käufer verpflichtet, den Dämmzustand
der Decke oder des Daches nachzuweisen, oder muss der Käufer eine
offizielle Person bestellen um diesen Zustand zu überprüfen?
Wie
bereits geschildert, gibt es zum einen eine Nachweispflicht
gegenüber der Behörde. Dieser Nachweis kann auch durch eine
Erklärung des ausführenden Unternehmers geführt werden, so
genannte Unternehmererklärung nach
EnEV
2014 § 26a (Private Nachweise). Eine solche Erklärung kann
daher auch im Verhältnis von Verkäufer und Käufer ausreichen.
Letztlich muss der Käufer abwägen, welchen Grad des Nachweises
ihm ausreicht. Mehr als das Wort des Verkäufers sollte es aber
schon sein. Wer ganz sicher gehen will, muss eine Bauteilöffnung
vornehmen und nachsehen.

5. Wer ist kompetent und berechtigt den
Dämmzustand der Decke und des Daches zu überprüfen, ein Dachdecker oder
Bauingenieur?
Um
die Erfüllung der Nachrüstpflichten festzustellen, sollte nur
jemand beauftragt werden, der eine entsprechende Kompetenz
aufweist.
Das
kann grundsätzlich sowohl ein Dachdecker, als auch ein
Bauingenieur sein, wenn er sich mit den Anforderungen des
Wärmeschutzes auskennt.

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